Plastikmüll gehört entgegen allen Versicherungen zu den schlimmsten Gefahren für die Zukunft des Planeten. Von Witterung und Brandung zu winzigen Polymeren zermahlen, übersteht der Plastikmüll tausende Jahre. Voll gesaugt mit allgegenwärtigen Toxinen, treten die Polymere über Quallen, Würmer und Fische schließlich wieder in die Nahrungskette von Tier und Mensch.

Kapitän Charles Moore und seine Mannschaft stießen vor 12 Jahren auf einen gigantischen Müllteppich, dessen Ausmaße die Größe Mitteleuropas übersteigen. Eine Woche lang überquerten sie dieses scheinbar so stille Meer aus Kunststoffmüll, das sich als langsamer Wirbel im Uhrzeigersinn dreht. Auf der Meeresoberfläche schwimmen Plastiktüten, Flaschendeckel, die Reste von Fischernetzen, Einmalrasierer, CD-Hüllen, Eimer, Kabeltrommeln, Zahnbürsten, Feuerzeuge. Das Gesamtgewicht dieses Plastikmülls beläuft sich auf geschätzte drei Millionen Tonnen. Bisher hat sich kein Recyclinghof zuständig gefühlt, die naturfernen Müllschollen einzusammeln.

Von überall her treiben die Meeresströmungen den schwimmenden Plastikschrott in den Strudel zwischen Kalifornien und Hawaii, der mittlerweile den wenig schmeichelhaften Namen „Pazifischer Müllstrudel” erhalten hat. Er ist der größte, aber bei weitem nicht der einzige seiner Art.

Die synthetischen Schwimmkörper stammen zum Teil aus der über Bord gegangenen Ladung von Frachtern. Zigtausende von Turnschuhen, Plastikenten oder Legoteilchen wurden nach Kenterungen den Fluten übergeben. Ein weiterer Teil des Plastikstrudels stammt aus dem nach Seemannsart über Bord geworfenen Schiffsmüll. Diese Mengen jedoch bilden nur einen kleinen Teil der Meeresverschmutzung. Rund achtzig Prozent werden von den Flüssen ins Meer getrieben, es handelt sich also hauptsächlich um Müll, der eigentlich in Deponien oder Recyclinganlagen hätte enden sollen.

Der an der Wasseroberfläche treibende Müll ist allerdings nur die buchstäbliche Spitze des Eisbergs. Rund siebzig Prozent des Mülls sinken auf den Meeresgrund. So entstehen an einigen Stellen immense Plastikberge, die alles Leben unter sich begraben. Nach Schätzungen liegen auf einem Quadratmeter Meeresboden rund 110 verschiedene Plastikreststoffe. Da sich Plastik im Salzwasser praktisch nicht zersetzt, werden diese schädlichen Riffs aus Polymeren Tausende, wenn nicht Millionen Jahre dem natürlichen Lebenskreislauf zusetzen.

Doch selbst da, wo der Plastikmüll in kleinste Bestandteile zerrieben wird, sind die fatalen Folgen noch lange nicht am Ende. Wie der britische Wissenschaftler Richard Thompson von der University of Plymouth herausgefunden hat, wird der im Meer treibende Müll durch Sonneneinstrahlung, Strömung und Reibung allmählich immer stärker zerkleinert. Dieser mechanische Vorgang ist besonders stark an Stränden, wo den Plastikteilen das gleiche Schicksal widerfährt wie den Steinen in der Brandung – das Plastik wird nach und nach zu mikroskopischen Kügelchen zerrieben. Mit dem bloßen Auge sind die Plastikkugeln nicht zu erkennen, doch finden sie sich heutzutage an praktisch jedem Strand der Welt und in jedem Kubikmeter oberflächlichen Meerwassers, im durchsichtigen Gewebe von Quallen, Schalentieren und Fischdärmen.

Die winzigen Plastikkügelchen entsprechen von ihrer Struktur her wieder jenen Pellets, die als Ausgangsmaterial der Kunststofffabrikation dienen. Über 5,5 Billiarden dieser Pellets werden jährlich hergestellt, und bis auf die verschwindend kleine Menge Plastikmüll, die recycelt oder verbrannt wurde, ist noch jedes Stück Kunststoff des modernen Industriezeitalters irgendwo in der Umwelt. Plastik bleibt Plastik, es lässt sich biologisch in keinem vernünftigen Zeitrahmen abbauen.

Doch es kommt noch um einiges schlimmer, wie der Geochemiker Hideshige Takada von der Universität Tokio herausgefunden hat. Denn je stärker das Plastik zerkleinert wird, desto leichter nimmt es giftige und krebsfördernde Stoffe wie PCB oder DDT auf und reichert sie in millionenfach konzentrierter Form an. Das Plastik wirkt laut Takada wie ein Magnet auf die tausenden Toxine, die sich seit der Industrialisierung in Luft, Böden und Gewässern angereichert haben. Meerestiere, die die winzigen Plastikpellets unbemerkt mit ihrer Nahrung aufnehmen, vergiften sich auf diese Weise. Werden sie gefressen, so geben sie die Schadstoffe an andere Tiere weiter, Menschen machen als Fischkonsumenten da keine Ausnahme.

 

Manche Plastikteile sind so klein, dass sie von winzigen Meereslebewesen wie Wattwürmern, Sandflöhen und Entenmuscheln gefressen werden können. Thompson musste bei seinen Forschungen feststellen, dass diese Meerestiere bedenkenlos Plastik fressen. Und auch wenn die Tiere in seinen Experimenten nicht am Kunststoffverzehr starben, blieben diese doch im Verdauungstrakt der Lebewesen zurück. Die langfristigen Konsequenzen dieser unfreiwillig veränderten Ernährungsgewohnheiten sind laut Thompson bisher noch kaum absehbar.

Ithaka Kommentar

 

In der Schweiz üben wir uns in gutem Gewissen, schließlich wandert aller Kunststoff in die Müllverbrennung, wo er, als wäre es reines Erdöl, zu molliger Wärme für Fernwärmeheizungen verbrennt. Doch wer sich einmal an einer gemeinschaftlichen Müllsammlung in den Bergen oder Wäldern eines Alpendorfes beteiligt hat, der weiß, welch unvorstellbare Mengen an Plastikmüll auch hierzulande in die Umwelt gelangen. Selbst wenn es in der Schweiz nur 0,1% der jährlich 1 Millionen Tonnen Plastikabfälle wären, die vom Wind in den Bergen verweht, in Gletscherflüssen zermahlen, mit Östrogenen und Antibiotika der Abwässer angereichert und in die Meere getragen werden, um dort mit weiteren Dioxinen angereichert, in den Nahrungskreislauf zurückzukehren, wäre es eine unverantwortliche Menge. Seien wir uns bewusst, jede Plastiktüte im Supermarkt, jeder Schraubverschluss auf der Plastikflasche, jeder Tesafilm auf dem Pappkarton erhöht unsere Schuld gegenüber der Zukunft. Alternativen gibt es genug, doch bis zur Einführung einer weltweiten Plastiksteuer, durch die kompostierbare Verpackungen konkurrenzfähig würden, hilft nur der Druck der Konsumenten und ökologisch nachhaltig wirtschaftender Unternehmen. (hps)”

Doch nicht nur die verkleinerten Plastikreste gefährden die Umwelt, auch der Schaden durch größere Kunststoffteile ist verheerend. Immer häufiger werden verendete Vögel und Fische gefunden, in deren Mägen sich Plastikstücke angesammelt und zu Verstopfung geführt haben. Ähnlich ergeht es Schildkröten, die umher schwimmende Plastiktüten mit Quallen verwechseln. Aufgegebene Fischernetze aus Nylon werden zur tödlichen Falle für große Fische wie Delphine, und mancher Seevogel verfängt sich in den Plastikträgern von Bierdosen-Sixpacks, aus deren Synthetik-Schlinge er nicht mehr lebendig herausfindet.

 

Umweltschutzorganisationen fordern daher ein Ende der Kunststoffherstellung – ein ungehörter Ruf in geistloser Wüste. Länder wie Australien wollen zumindest Plastiktüten vollständig verbieten. Und auf Sansibar steht der Besitz dieser Behältnisse sogar schon unter Strafe. Die Organisation Green Ocean hat ein Projekt gestartet, bei dem sie Fischern in Italien die eingesammelten Plastikabfälle aus dem Meer abkauft, um Anreize zur maritimen Müllbeseitigung zu schaffen. Doch den treibenden Mikromüll werden diese Maßnahmen nicht mehr beseitigen können.

Niemand weiß, wie lange die schwimmenden Plastikreste erhalten bleiben. Da zudem in der Tiefe der Meere keine Photosynthese stattfindet, dürfte dieser Vorgang auf dem Meeresgrund um einiges länger dauern als an der Wasseroberfläche. Dass biologisch abbaubare Polymere eine Lösung darstellen, ist reine Augenwischerei. Viele der angeblich kompostierbaren Einkaufstüten sind laut dem Chemiker Anthony Andrady auch nach Jahren im Meer immer noch bestens für den Gang durch die Einkaufspassage geeignet.

 

Der Mensch hat in den letzten 150 Jahren Abfälle produziert, die die Menschheit, wenn alles wie gewohnt mit einem Wink der linken Hand abgetan wird, um Millionen Jahre überleben wird. Sucht die Menschheit tatsächlich ihren eigenen Untergang, wie es Fanny Armstrongs Film aus dem Jahre 2050 als Vermutung des Protagonisten äußert?

Von: Tim Caspar Boehme, Delinat-Institut