Nicht nur die grossen Stauseen in den Tropen, sondern auch Fluss-Stauhaltungen produzieren beachtliche Mengen klimawirksames Methangas, vor allem im Sommer bei warmen Temperaturen.

Das haben Forschende der Eawag am Wohlensee bei Bern nachgewiesen. Die Wasserkraft verliert damit ein klein wenig vom Nimbus der klimaneutralen Stromproduktion.

Die Umweltchemikerin Tonya Del Sontro und der Betreuer ihrer Doktorarbeit, Prof. Bernhard Wehrli haben den gemessenen Daten zuerst misstraut. Doch die unerwartet hohen Werte hielten der Überprüfung stand: Pro Quadratmeter Seefläche steigen im Mittel täglich über 150 Milligramm Methan (CH4) aus dem Wohlensee in den Himmel. Das ist für Seen in mittleren Breiten die mit Abstand höchste bisher bekannte Ausgasungsrate. Bei einer Wassertemperatur von 17° beträgt die Rate das Doppelte und ist damit vergleichbar mit den Werten von Stauseen in den Tropen.

Soviel wie 25 Millionen Autokilometer

Hochgerechnet auf die gesamte Fläche produziert der Aare-Stausee jährlich 150 Tonnen Methan. Das ist etwa so viel wie rund 2000 Kühe pro Jahr an die Atmosphäre abgeben oder entspricht bezüglich Klimawirksamkeit dem CO2-Ausstoss von 25 Millionen gefahrenen Autokilometern. Denn Methan ist rund 25 Mal stärker am Treibhauseffekt beteiligt als Kohlendioxid. «Ganz so klimaneutral wie bisher angenommen, ist die Wasserkraft also nicht», sagt die Forscherin Del Sontro. Dramatisieren will sie ihre Resultate nicht: Auch wenn die Methanemissionen aus dem Stau in CO2-Äquivalente umgerechnet und ganz dem Aarekraftwerk angelastet werden, stösst ein Kohlekraftwerk bei gleicher Stromproduktion rund 40 mal mehr Kohlendioxid aus. Die Emissionen des Wohlensees zeigen jedoch, dass Fluss-Stauhaltungen auch in mittleren Breiten bedeutende Methan-Quellen sein können. «Das wurde bisher in den Treibhausgasbilanzen übersehen», sagt Bernhard Wehrli.

Es gärt im See

Das Methan im Wohlensee bildet sich, weil die Aare organisches Material mitführt, unter anderem bereits aus dem Thunersee. Im Stau setzt sich das Material rasch ab und wird im Sediment von Bakterien vergärt. «Im Sommer sieht das Wasser des Wohlensees dann manchmal aus wie Champagner», sagt Wissenschafterin Del Sontro, «Unmengen von Gasblasen steigen vom Grund an die Oberfläche.» Um diese Blasen zu untersuchen, haben die Forscher der Eawag Fallen konstruiert, die wie umgedrehte Trichter aussehen. Damit haben sie die im Wasser aufsteigenden Gasblasen abgefangen. Die Analysen ergaben, dass sie vorwiegend Methan enthalten.

Im Winter sind die Methanemissionen temperaturbedingt minimal. Das erklärt laut Bernhard Wehrli, weshalb das Augenmerk der Klimaforscher bisher vor allem auf den riesigen Stauseen in tropischen Regionen lag: Dort ist es immer warm und geflutete Waldstücke liefern viel Nahrung für Mikroben. Die tiefen Wassertemperaturen und der geringe Nährstoffeintrag sind auch der Grund, dass die grossen Speicherseen in den Alpen bezüglich Methanemissionen kaum relevant sind. Als nächstes wollen die Forscher nun an anderen Flusskraftwerken im Mittelland klären, ob der Wohlensee ein Sonderfall ist oder eine Korrektur der gesamtschweizerischen Methanbilanzen angebracht ist.

Von: Bernhard Wehrli ist Professor für Aquatische Chemie an der ETH Zürich

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Bernhard Wehrli, Telefon +41 41 349 2117
Bernhard Wehrli ist Professor für Aquatische Chemie an der ETH Zürich und Mitglied der Eawag-Direktion.
E-mail: bernhard.wehrli@eawag.ch