FISCHEREI / Raubvögel machen Fischern und Rettern der Äsche Arbeit zunichte. Umweltschützer warnen vor Radikalabschuss.

YBBSTAL / Die Katastrophe ist für die Ybbs-Fischer perfekt: Geschwader von Kormoranen jagen derzeit Ybbsäschen und Forellen und machen jahrelange mühsame Aufbaumaßnahmen bei der Fischwaid zwischen Kematen und Oppoitz zunichte.
„Es ist unbeschreiblich, mit welcher Gründlichkeit die Kormorane die Ybbs befischen“, sagt Helmut Schelberger vom Waidhofner Fischereiverein „Petrijünger“. Er und seine Vereinskollegen führen bereits Beobachtungslisten und berichten dem „Österreichischem Kuratorium für Fischerei“, wann und wie viele Kormorane sie gesichtet haben. „An einem Tag haben wir 164 Exemplare gezählt“, so Schelberger.“ Egon Brandl vom Waidhofner Arbeiterfischereiverein bestätigt das: „Vergangene Woche habe ich Schwärme von bis zu 30 Vögeln beobachtet.“

Zugefrorene Teiche sorgen für „Kormoran-Tourismus“
Brandl nenne auch den Grund für die überhand nehmenden „fliegenden Touristen“, die ihre Brutplätze an der Donau haben. „Wenn die Teiche im Einzugsgebiet der Donau zugefroren sind, ziehen die Kormorane in die Täler und fischen in den eisfreien Gebirgsflüssen“. Dabei kommen sie bis ins „Fischerdorf“ Opponitz. „Es ist ein echtes Existenzproblem für unsere Fliegenfischstrecke“, sagt Bürgermeister Ing. Erwin Forster. Da die Vögel im Verband vorgehen und regelrechte Treibjagden auf den Fischbestand veranstalten, fischen sie ganze Abschnitte der Ybbs de facto leer. „Wenn das so weiter geht, bedeutet es das Aus für unseren Fliegenfisch-Tourismus“, malt Forster schwarz.
Auch der Opponitzer Fischerei-Aktivist Franz Rosenberger sieht die Zukunft der Ybbsfischerei in düsteren Farben. „Wenn nichts geschieht, gibt es bald nur noch Koppen in der Ybbs.“ Dabei sieht er für Jagd- und Fischereibesitzer Bundesforste und die Gemeinden in den Brutgebieten an der Donau Handlungsbedarf. Die Bejagung am Oberlauf der Ybbs lindere die Situation wenig.
Warum sich der Ehrgeiz der Jäger beim Kormoranabschuss in Grenzen hält, weiß Forster: „Als Trophäe ist der Kormoran uninteressant, die Bejagung ist zeitaufwändig und mit Bürokratie verbunden, die Entsorgung der Kadaver ist teuer“.
Im Waidhofner Stadtgebiet, wo sich vier Vereine die Fischgründe teilen, ist die Bejagung aus jagdrechtlichen Gründen gar nicht erlaubt. Vergrämungsaktionen mit Knallkörpern zeigen nur beschränkt Wirkung. „Die Vögel merken den Unterschied bald.“ Den Fischereiverbänden bleibt nichts anderes übrig, als jährlich teuren Zusatzbesatz mit Jungfischen durchzuführen. „Die sind die Strömung meist nicht gewohnt und halten sich vor allem bei Hochwasser nicht“, sagt Schelberger, der nicht weiß, wie lange sich der Verein die jährliche Pacht von 32.000 Euro noch leisten kann: „Keine Fische, kein Fischerkartenverkauf, keine Einnahmen.“

Vom Aussterben bedrohte Tierart wird zur Landplage
„Die Ökologie der Äsche führt zu einer im Vergleich zu anderen Fischarten der Region erhöhten Anfälligkeit gegenüber Kormoranenprädation“, stellt Biologe Mag. Stefan Guttmann vom Verein „Rettet die Ybbsäsche“ fest. Die Äsche weist ein ausgeprägtes Schwarmverhalten in den Wintermonaten auf, versteckt sich nicht und flieht zu träge. Er rät zu länderübergreifenden Management und Monitoring des Fischbestands. „Umfassendes Management des Kormorans ist aber derzeit nicht existent“, so Guttmann. „Erste Exemplare haben wir erst 1995 an der Ybbs beobachtet“, sagt Schelberger.

Tierschützer warnen: „Nur abschießen greift zu kurz“
Dass ein Radikalabschuss der Vögel zu kurz greifen könnte, davon warnen Naturschützer. Erich Abfalter von den Waidhofner Grünen sagt: „Früher war das ein vernetztes System. Die Kormorane haben dort, wo sie heimisch waren, ihre Freiräume gehabt. Abschießen allein bringt nichts, es muss behutsame Maßnahmen wie das Entfernen von Gelege geben“, sagt er. „Mit Abschießen behandelt man das Symptom, nicht die Ursache“.

KORMORANE SIND GASTVÖGEL IN NIEDERÖSTERREICH

Stefan Guttmann vom Verein „Rettet die Ybbsäsche“ zur Kormoran-Situation.

NÖN: Bedrohen Kormorane die Ybbsäschen-Population?
Guttmann: Die Ybbs liegt im Einflussbereich von einigen größeren Schlafplätzen mit teils weit über 100 Individuen und wird im Winter regelmäßig von Kormoranen zur Nahrungsaufnahme aufgesucht. Erhebliche Einflüsse des Kormorans auf die Fischbestände der Äschen- bzw. die Forellenregionen sind überaus wahrscheinlich.

NÖN: Warum gibt es das Problem erst seit wenigen Jahren?
Guttmann: Der Kormoran kommt in Gewässerregionen vor, die früher nicht genutzt wurden, dazu zählt die Äschenregion. Der Verein „Rettet die Ybbsäsche“ ist bemüht, im Bereich des Kormoranmanagements einzugsgebietsbezogen Vorschläge für ein Management zu erstellen.

DER KORMORAN
Kormorane (Phalacrocorax carbo) sind 75 bis 95 Zentimeter groß und haben eine Flügelspannweite von 1,2 bis 1,5 Metern. Sie wiegen 2,5 bis 3,5 Kilogramm. Ihr Gefieder glänzt metallisch. Der große Schnabel ist hakenförmig. Im Prachtkleid haben Kormorane einen weißen Fleck am Schenkelansatz, ein weißes Gesicht und einen schwarzen Scheitel. Am Schnabelgrund befindet sich eine gelbliche, nackte Hautpartie. Kormorane sind meist stumm, nur in der Kolonie geben sie dumpf krächzende Laute von sich. Kormorane fressen im Mettel 400 – 500 Gramm Fische pro Tag. Ihre Nahrung erbeuten sie tauchend. Der registrierte Rekord liegt bei 63 Metern im Bodensee. Sie bevorzugen Fische der Größenklassen zwischen 5 und 50 Zentimetern und fischen im Verband besonders gründlich und erfolgreich.

Von: Leo Lugmayr